Postwachstumsökonomie

… baulich gedacht…

Ein bemerkenswerter Aufruf des eindringlich berichtenden und forschenden Vertreters der Postwachstumsgesellschaft Niko Paech1 zur Verordnung einer „Öko-Diät“ für Alle ist mir kürzlich zugekommen. Die „Konsumverstopfung“, an der die globale Welt – verursacht durch die Ressourcen verschlingende westliche Welt – leidet, ist nach Paech, dem Autor des Buches „Befreiung vom Überfluss“, durch wenige einfache Maßnahmen zu lindern. Die Wortauswahl in diesem Zusammenhang ist sehr treffend gewählt, wird doch die Wirtschaft in einen lebenden Organismus mit pathologischen Symptomen verwandelt. Gesunde Wirtschaft, also Wirtschaft, die gut tut, ist nicht zwangsläufig zum Wachstum gezwungen (siehe auch im plan b Beitrag des ZDF) : 

Paech sieht 4 elementare Ebenen zur „Heilung“ dieser krankhaften Erscheinung, die eine nachhaltige ökologische Entwicklung und damit eine zukunftsfähige Moderne erst ermöglichen. Das Fundament hierfür , um sich sprachlich auch bei der Architektur zu bedienen, bildet die soziale Gerechtigkeit in globalem Maßstab. Wir sind angehalten nur soviel zu gebrauchen, wie einem Jeden der im Durchschnitt ca. 8 Milliarden Menschen (von 2010-2050 gerechnet) zustehen würde, um das 2 Grad Ziel vom Pariser Abkommen bis 2050 einzuhalten. Derzeit entspricht dies nach Berechnungen2 des WGBU (wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen) je Person 2,3 Tonnen/CO2 pro Jahr. Zum Vergleich: ein Standard-Hin-&Rückflug über den Atlantik DUS/NY liegt bei der CO2-effizientesten Option laut Kompensationsrechnung (z.B. atmosfair) noch bei 2,85 Tonnen CO2.

Gesunde Wirtschaft 

Die 4 Ebenen einer gesunden Wirtschaft basieren nach Paech auf Genügsamkeit, Selbstversorgung, Regionalökonomie und Reparaturwirtschaft bzw. Abbau von Obsoleszenz und entsprechendem Umbau der Industrie.

Genügsamkeit im Sinne von Resilienz: nur soviel zu wollen, wie ich brauche. So schafft man einen genügsamen Konsum, der mit der nötigen Aufmerksamkeit und Zeit zu mehr Genuss und damit Glück und Zufriedenheit führt. 

Selbstversorgung im Sinne von Eigenproduktion: sei es von Lebensmitteln oder Herstellung eigener Produkte beim Nähen, Stricken, Werken etc. und im Sinne einer Ökonomie des Teilens.

Regionalökonomie im Sinne von Unterstützung der Bedürfnisse der genügsamen Konsumenten bzw. selbst produzierenden lokalen Bevölkerung, da nicht alles selber geleistet werden kann, z.B. durch Reparaturdienstleistungen für komplexere Gegenstände oder Verleihservice.

Industrieumbau im Sinne von hochwertigerer und reduzierter Produktion, so dass die so frei werdende Arbeitsleistung dem einzelnen die Zeit verschafft den Wandel zum Prosumenten wie oben beschrieben zu vollziehen. Das Ganze begleitet durch den Umbau des Bildungs- und Erziehungssystems mit dem Fokus auf einer Aufwertung des Handwerks und dem Ausbau sozialer Vernetzung zum Kompetenzaustausch. 

Im nachhaltigen Bauen entspricht das den Bestrebungen vieler Akteure im Bereich des Rezyklierens in einer Kreislaufwirtschaft (siehe auch Urban Mining), des kreislauffähigen Designs (siehe cradle to cradle) oder des Transformationsdesigns als Weg in eine zukunftsfähige Moderne, das Harald Welzer mit eigenem Lehrstuhl an der Europa Universität Flensburg lehrt. 

Suffizienz beim Bauen 

Eine durchaus logische und vernünftige Überlegung im Zusammenhang mit zukunftsfähigem suffizientem Bauen ist die Meinung, die Daniel Fuhrhop in seinem Buch „Verbietet das Bauen“ vertritt. Fuhrhop plädiert für eine aufgeklärte Nachhaltigkeitspolitik, in der nicht wirtschaftliche Interessen vor problematische Aspekte wie Ressourcenverknappung, immensen Platzbedarf und Nutzung grauer Energie beim Bauen gestellt werden. Durch eine „zukunftsweisende urbane Transformationsstrategie“3 strebt auch er mehr soziale Gerechtigkeit an. In seiner Streitschrift entwickelt er Ideen zur Nutzung des vorhandenen Baubestands und Strategien für neue urbane Lebensweisen. Er entwickelt hierzu 50 Werkzeuge von einfachen Ideen wie Modernisierung und Umnutzung statt Abriss bis hin zu gemeinschaftlichem Wohnen zur Reduzierung der Platzverschwendung oder einer Aufwertung von schwächeren und Abwertung von stärkeren Regionen, um den Zuzug in populäre Orte und damit erhöhten Wohnraumbedarf zu minimieren. 

Nutzen wir den Bestand vollumfänglich so nutzen wir Ressourcen auch im bereits Vorhandenen. Architekten und Stadtplaner sind gefragt, dem Abrisswunsch nicht sofort zuzustimmen. Die Wirtschaftlichkeit im ökologisch nachhaltigen Sinne beinhaltet also mehr Ebenen als lediglich den Vergleich von Investitionskosten.

Vegetarian Architecture – gesunde baubiologische Architektur

Ergänzend sollte das Augenmerk beim Bauen weiter auf erneuerbaren und nachwachsenden Rohstoffen liegen, so dass der Rohstoffverknappung Einhalt geboten wird. Betrachten wir die Postwachstumebenen nach Paech birgt diese Vorgehensweise auch den Vorteil, dass der Prosument selbst aktiv werden und mit gestalten kann, so z.B. bei einem mit Strohballen gedämmten/gebauten Haus: beim Einbringen der Ballen bis hin zum Auftragen des Lehmputzes auf den Stroh, beides Rohstoffe, die lokal bzw. vor Ort aus den Ressourcen des Grundstücks gewonnen werden können.

Eine derzeit spannende Lektüre zu nachhaltiger Architektur, vegetarian architecture von Andrea Bocco Guarneri, verknüpft die Ideen des ökologischen Bauens mit dem Vegetarismus zum Vegetarischen Bauen4, indem er die Lehren der Ökologie aus der Landwirtschaft in architektonische Prinzipien umwandelt: 

  • Bauen im Einklang mit der Natur
  • natürliche und lokale Materialien kennen und verwenden
  • Energienutzung nur im nötigen Maß
  • Materialien ohne künstliche Zusätze und keine monopolisierten Baustoffe verwenden
  • Handwerk bevorzugen
  • Eigenleistung einbringen
  • wenig und gesund verarbeitete Baustoffe einsetzen
  • Wertschätzung der eigenen Leistung
  • Genügsamkeit leben

Der Einsatz von pflanzlichen und mineralischen Baustoffen, die Regionalität, das handwerkliche Ausführen, die Rohstoff- und Energieeffektivität sind Fundamente der baubiologischen Bauweise (siehe 25 Leitlinien der Baubiologie), die somit schon immer vegetarisches Bauen darstellt. Um die Metapher weiter zu spinnen bezeichne ich baubiologisches Bauen gerne auch als clean building. Eine Bauweise, die nur wenige nachhaltige Materialien braucht, um gesund und ökologisch zu sein und auf dem Begriff des clean eating5,, basiert, dass die Verwendung von frischen, natürlich belassenen, vollwertigen, also wenig industriell verarbeiteten Lebensmitteln, am besten selbst zubereitet,und bio, regional und saisonal bezogen, empfiehlt.

Das Bauen im Bestand kommt der ökologischen Bauweise zusätzlich zu Gute, da so weniger graue Energie aufgewendet wird und bereits eingesetzte Baustoffe per se recycled werden. 

Well v2 – der neueste gesunde Trend aus den USA?

Moderne Tendenzen aus dem angelsächsischen Raum bieten Baufachleuten mit der Zusatzqualifikation zum WELL AP seit neuestem das Fachwissen gesundheitsbewusstes Bauen in Kombination mit Ernährungsweisen und Stärkung des Mentalen zu setzen. Einmal mehr sieht man, dass nach der DGNB, die raumklimatische Aspekte in Zusammenhang mit Schadstoffen in Ihre Kriterienkataloge integriert hat, nun auch zielgerichtetere Zertifizierungen von global agierenden Institutionen immer mehr die Gesundheit in Zusammenhang mit dem Bauen stellen. Mit dem VDB-Zert bietet der Berufsverband Deutsche Baubiologen e.V. ein vollumfänglich auf das gesunde Bauen abgestimmtes Zertifizierungsprogramm mit Betrachtungen aller Kriterien nach den Leitlinien der Baubiologie an, dessen sich auch zum Beispiel der baubiologische Fertighausbauer BauFritz bereits bedient6.

Auch die Kombination der Produktion von Lebensmitteln im baulichen und urbanen Kontext ist in vielen Projekten thematisiert. Die Nachwachsende Stadt sowie z-farm sind gute Beispiele für Initiativen und Forschungsprojekte zum Thema resiliente Städte und Regionalökonomie. Schöne Gelegenheiten urbanen Gärtnerns bieten einige Kommunen Ihren Bürgern frei Haus an. So baut die Kommune Andernach in öffentlichen Grünanlagen Gemüse, Kräuter und Salate für die Stadtbevölkerung an. Essbare Pflanzen wie Wildkräuter, -beeren oder -obst werden in „Essbare Stadt“ -Karten im Internet veröffentlicht7. In vielen Städten kann man saisonweise Beete zur Selbstpflege mieten oder bei Nachbarschaftsgärten mit machen. Jeder kann somit also seinen ganz persönlichen Beitrag zur Postwachstumsökonomie leisten und Prosument werden. 

1https://www.youtube.com/watch?v=jv7EgsjT3f0

2https://www.atmosfair.de/de/gruenreisen/persoenliches_klimabudget/

3Daniel Fuhrhop VERBIETET DAS BAUEN!, S.8, oekom 2015

4https://www.jovis.de/de/buecher/haeuser/product/vegetarian-architecture.html

5https://www.zentrum-der-gesundheit.de/clean-eating-ia.html

6https://www.baufritz.com/de/gesundheit-und-baubiologie/baubiologie/vdb-zert/

7https://mundraub.org/map#z=7&lat=50.91&lng=11.56